Politik und Seiteneinsteiger
2. Dezember 2012 by Sebastian Weigle
Ein immer wieder heiß diskutiertes Thema sind Seiteneinstiege in die Politik. Insbesondere die Frage: Machen Seiteneinsteiger bessere Politik als die, die sich über Jahre in der Partei hochgearbeitet (manche sagen auch: hochgedient) haben.
Selten gibt es Themen, die so stark polarisieren und zu so starken Debatten anregen.
Traineeships für junge Studierte?
Zuletzt hat ein Papier des jungen Think tank des Club of Rome für Aufsehen gesorgt.
Unter dem Titel Democracy first! haben die jungen Wissenschaftler gefordert: „Junge Menschen sollen nach dem Studium der Politik nähergebracht werden, indem sie ein zweijähriges Traineeship in Parlament und Ministerien absolvieren. Damit sollen sie für die aktive Politik begeistert werden, und die Parteien könnten die eigenen Nachwuchssorgen ein wenig lindern.“
Mit dieser Forderung wollen die Jungwissenschaftler erreichen, dass Menschen in die Politik kommen, die trotz großer Fähigkeiten sich nicht vorstellen können, in die Politik als Verantwortungsträger zu gehen oder mit einem Mandat Politik mitzugestalten.
Sind die klassischen Parteigänger immobil?
Die Analyse der jungen Wissenschaftler klingt hart: „Leider sind die Strukturen in der Politik oft abschreckend für interessierte und intelligente junge Leute. Belohnt werden vor allem Sitzfleisch und mangelnde Mobilität.“
Damit wird von den jungen Wissenschaftlern also unterstellt, dass Politiker, die sich in der Partei über die Jahre engagiert haben und irgendwann auch ein Mandat bekommen dieses Mandat dank jahrelanger Arbeit vor Ort und genügend Sitzfleisch erhalten.
Ein Blick auf Realitäten
Für mich stellt sich die Frage, was die Analyse der jungen Wissenschaftler tatsächlich mit Realitäten zu tun hat. Grundlegend teile ich die Meinung, dass es mehr Menschen geben sollte (ob mit oder ohne Studium), die sich politisch engagieren sollte. Dies würde der Demokratie insgesamt, aber natürlich insbesondere den Parteien durchaus gut tun. Tatsächlich sind die Hemmungen, sich politisch zu engagieren, in den letzten Jahrzehnten immer größer geworden.
Auch finde ich die Idee der jungen Wissenschaftler spannend und diskussionswürdig. Sie hat jedoch einen Haken, der für mich sehr bedeutend ist: Politik findet nicht primär in Berlin, Stuttgart oder München statt, sondern politische Willensbildung findet vor Ort statt. Auch wenn dies gerne bestritten wird, ist es doch so, dass ein Abgeordneter nicht auf Dauer gegen seine Basis vor Ort arbeiten kann – das hat ja kürzlich erst der CDU-MdB Siegfried Kauder erfahren müssen. Deshalb darf ein Traineeship niemals so Berlin-zentriert sein, wie es vorgeschlagen ist.
Noch wichtiger scheint mir, dass die Analyse nicht stimmig ist. Wer sich umschaut und mal in einen Ortsverein oder Ortsverband einer Partei wagt, der wird merken, dass er mit offenen Armen empfangen wird (zumindest meistens) und ihm viele Türen geöffnet werden. An einer Stelle jedoch scheitern tatsächlich manche: Wer von außen in eine Partei kommt und bei der Frage einer Kandidatur sich mit der Meinung hinstellt: „Entweder sicherer Listenplatz oder gar nicht“, der wird es schwer haben. Denn dann wird er auf viele treffen, die sich bereit erklärt haben, mehrere Male ohne die geringste Chance auf ein Mandat zu kandidieren. Und das sind oft Menschen, die mitten im Leben stehen und auch im Berufsleben jede Menge Herausforderungen zu bewältigen haben. Immobil und Sitzfleisch ist da eine echte Beleidung: Engagiert und flexibel trifft die Realität eher!
Conclusio
Für mich ist klar: Jede Partei ist froh, neue Wege in die Politik anbieten zu können. Diese bedürfen aber Engagement auf beiden Seiten. Wer in der Politik ein Mandat will, muss zuhören lernen und anpacken! Und Parteien, die Quereinsteiger brauchen, müssen offen sein und Chancen aufzeigen.